Montag, 15. August 2016

Gastrezension von jenvo82 zu The Girls von Emma Cline




Preis: €  22.00 oder 16,99[D]
Einband:  Hardcover oder Ebook
Seitenanzahl: 352
Altersempfehlung: -
Verlag: Hanser Literaturverlag
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„Vor Suzanne hatte mich nie jemand angesehen, jedenfalls nicht richtig, also war sie zu meiner Definition geworden. Ihr Blick schmolz mein Inneres so leicht, dass selbst Fotos von ihr auf mich gezielt wirkten, von heimlicher Bedeutung entzündet.“
Inhalt
Im Alter von 14 Jahren begegnet Evie Boyd einer Gruppe schillernder Mädchen, die trotz ihrer mageren Körper und losen, abgetragenen Kleider eine magische Anziehungskraft auf sie ausüben. „The Girls“ strahlen Unabhängigkeit und Extravaganz aus, eine faszinierende Mischung zwischen Furcht und der Hoffnung ein Teil dieser Verbindung zu werden stellt sich bei der Jugendlichen ein. Tatsächlich gelingt sie über Suzanne in die Mitte des Kreises und wird in die Kommune, in der die Mädchen mit ihrem Anführer und Guru Russell leben, aufgenommen. Beseelt von dem Gefühl, endlich Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der ihr wahres Ich erkannt und beachtet wird, verstrickt sich Evie in die Machenschaften der Gruppe. Plötzlich werden täglicher Drogenkonsum, wilde Sexorgien und Diebstahl zu den Pfeilern ihres Lebens und sie rutscht in ein soziales Umfeld voller Konflikte. Doch Evie, die weniger Gefallen an Russell sondern eher an Suzanne findet, steckt bald schon sehr tief in der Geschichte drin und ihr objektives Urteilsvermögen schaltet sich ab. Als „The Girls“ den ganz großen Coup planen, kommt ihr der Zufall zu Hilfe, doch ihr Leben wird nie wieder das sein, was es einmal war.
Meinung
Tatsächlich verfolge ich neben der Lektüre des Buches seit seinem Erscheinen auch gespannt die Rezensionen der anderen Leser und konnte feststellen, dass sich hier die Meinungen sehr breit gefächert darstellen. Die einen lieben das Buch, die anderen empfinden es als mittelmäßig mit zahlreichen Schwächen. Umso gespannter war ich auf meinen persönlichen Leseeindruck dieses anscheinend kontroversen Romans.
Emma Cline entwirft hier eine umfassende Entwicklungsstudie eines jugendlichen Mädchens, die wie so viele andere auch auf der Suche ist. Auf der Suche nach Zugehörigkeit und Anerkennung, nach Liebe und wahrer Freundschaft, ohne Kompromisse und so rein und absolut, wie das Leben nur in sehr jungen Jahren erscheint. Diese Sequenz hat die Autorin ganz wunderbar herausgearbeitet, denn die Hintergründe, die Evie letztlich dazu bewogen haben, sich der Kommune anzuschließen sind absolut nachvollziehbar. Doch was mich zunehmend gestört hat, war Evies Einsicht in die innere Struktur der Gruppe, deren Handlungen sie durchaus als „falsch“ einstuft und sie dennoch in keiner Weise hinterfragt. Ganz im Gegenteil, ihre bewusste Entscheidung macht es mir schwer, an ihren gesunden Menschenverstand zu glauben. Auch das „Anderssein“ als Lebensmaxime ist nicht das Erstrebenswerte für Evie, sondern einzig und allein die unerschütterliche Zuneigung zu einer Frau, die mit Leib und Seele dem dunklen Kreis um Russell angehört.  
Die Autorin schreibt in zwei Erzählebenen – einmal in denen des Jahres 1969, als die junge Evie Teil der Kommune wurde und dann in der reflektierenden Gegenwart, in denen die Ich-Erzählerin über ihre Handlungen und Unterlassung philosophiert. Die Sprache des Buches ist literarisch auf hohem Niveau, liest sich aber auch sehr leicht, fast jeder Satz enthält einen Nebensatz und damit eine weitere Nuance, ein Gefühl oder eine Erklärung. Trotzdem blieben mir alle Protagonisten des Buches seltsam fremd, keine habe ich voll verstanden oder konnte sie in ihren Gedanken begleiten. Diese fortwährende Distanz zu den handelnden Personen hat mir das Lesevergnügen stellenweise etwas vergällt, weil ich mir mehr Objektivität, mehr äußere Anteilnahme erwünscht hätte.
Fazit
Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen intensiven, kontroversen Roman, der mir literarisch top erscheint, ein interessantes teils aufrüttelndes Thema fokussiert und den Leser in die Hippie-Zeit auf ihrem Höhepunkt entführt. Dennoch lässt mich das Buch etwas enttäuscht zurück, vor allem weil das Ende mehr Hoffnungslosigkeit als alles andere aufkommen lässt. Für mich nur schwer nachvollziehbar, wie die Entwicklungen während der Pubertät, ein ganzes Leben so nachhaltig prägen und überschatten können, ohne tatsächlich etwas bewirkt zu haben.


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