Mittwoch, 28. September 2016

Gastrezension von jenvo82 zu So glücklich wir waren von Daria Bignardi




Preis: € 22,00 [D]
Einband: Hardcover
Seitenanzahl: 317
Altersempfehlung:-
Verlag: Insel
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„Geheimnisse machen einen stark, aber auch einsam. Sie quälen vor allem diejenigen, die sie hüten.“
Inhalt
Alma findet nach Jahren des Schweigens endlich den Mut ihrer schwangeren Tochter Antonia von ihrer eigenen Vergangenheit zu erzählen, von einem Elternhaus, welches innerhalb weniger Jahre komplett zerbrach. Ein Vater der nach Depressionen eines Tages Selbstmord beging, eine Mutter, die dem schweren Krebsleiden erlag und ein drogensüchtiger Bruder, der über Nacht verschwand. So schmerzhaft auch ihr eigenes Leben war, so sehr wünscht sich die Mutter, dass Antonia unbeschwert durch die Schwangerschaft gehen kann und erkennt, welches Potential aber auch welche Verantwortung eine eigene Familie mit sich bringt. Und so macht sich Antonia auf die Reise nach Ferrara in die Heimatstadt ihrer Mutter, um dort vor Ort die Gegebenheiten zu erkunden und herauszufinden, was damals wirklich geschah …
Meinung
Nachdem ich in diesem Jahr schon einige italienische Romane gelesen habe, war ich sehr gespannt auf diesen hier aus der Feder von Daria Bignardi, von der ich bisher noch kein weiteres Buch kenne. Der Klappentext verspricht einen großartigen Thriller der Gefühle und macht neugierig. Und tatsächlich fesselt die Erzählung von Beginn an und die Intensität der geschriebenen Worte nimmt im Verlauf der Geschichte sogar noch zu, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.
Ein sehr bildlicher Schreibstil, hervorragend herausgearbeitete Charaktere, die allesamt ganz verschiedene Eigenschaften besitzen und dadurch sehr menschlich wirken und nicht zuletzt ansprechende Landschaftsbeschreibungen haben mich überzeugt. Schriftstellerisches Können garantiert hier niveauvolle Lesestunden, mit einer Familie, die mir am Ende der Erzählung trotz meines erworbenen Wissens relativ fremd geblieben ist. Besonders hervorheben möchte ich die Vielschichtigkeit dieser dramatischen Familiengeschichte, die so viele Emotionen beherbergt und an so vielen Stellen durch leise bröckelnde Mauern zum Einsturz gebracht wurde. Die Tragik liegt für mich nämlich nicht nur in der Schicksalshaftigkeit, die durch äußere Umstände den Mitgliedern der Familie aufgebürdet wurde (Drogensucht, Depression), sondern in erster Linie durch eine selbstauferlegte Schuld, die sich durch kontinuierliches Schweigen von einer in die nächste Generation fortsetzt. Der Leser begegnet hier in zwei verschiedenen Erzählsträngen einmal der Mutter und dann der Tochter, die sich nicht wirklich nahestehen und doch versuchen die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu verstehen. Man spürt auf jeder Seite den Wunsch, reinen Tisch zu machen, den Dingen auf den Grund zu gehen und vergangene Unterlassungen zu beheben. Leider bewirkt die Aufklärung der Vergangenheit nicht das gewünschte Resultat, denn wo jahrelanges Schweigen herrschte, bringt neue Erkenntnis auch keine tiefere, schmerzlosere Wahrheit.  
Fazit
Ich vergebe 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung für diesen anspruchsvollen, facettenreichen Familienroman, der durch eine bewegte Vergangenheit führt und den Leser für die Befindlichkeiten und Mängel in einem einst intakten Familienverband sensibilisiert. Auch wenn ich mich mit vielen Handlungen nicht identifizieren konnte, schließt sich der Kreis der Geschichte und nach Beenden der Lektüre lässt sich noch lange über die Inhalte reflektieren. Ein Roman mit Nachklang und einer echten Botschaft, nämlich der Tatsache, dass persönliches Glück auch sehr eng damit in Verbindung steht, wie gut es dem Individuum gelingt menschliche Nähe aufzubauen und zu erhalten.


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