Donnerstag, 22. Dezember 2016

Rezension von jenvo89 zu Widerfahrnis von Bodo Kirchhoff




Preis: € 21,00 [D]
Einband:Hardcover
Seitenanzahl: 224
Altersempfehlung:-
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
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„Manchmal sind Dinge, die lange unmöglich erschienen, zeitlebens fast, plötzlich ganz leicht, wie sich selbst loszulassen oder, aus umgekehrter Sicht, von sich abzurücken und für jemanden da zu sein, nicht irgendwann und irgendwo auch nicht in Gedanken, also später, sondern gleich.“
Inhalt
Julius Reither hat seinen unrentablen Verlag geschlossen, ebenso Leonie Palm ihren Hutladen, weil es keine Leute mehr gibt, die Hüte tragen. Und so begegnen sich zwei Menschen in der zweiten Hälfte ihres Lebens, die weder einen bestimmten Plan noch ein Ziel verfolgen. Gemeinsam ziehen sie mitten in der Nacht los, um ein wenig herumzufahren und dann noch ein Stück weiter, bis sie schließlich auf einer Route nach Italien sind und immer nur für den Moment leben, für die einfachen Dinge des Seins. Ihre Gespräche drehen sich um persönliche Erfahrungen, um missglückte Beziehungen und gescheiterte Existenzen, doch finden sie kurzfristig in der Nähe des Anderen wieder näher zu sich selbst. Als sich ihnen ein Flüchtlingsmädchen anschließt, die weder ihre Sprache spricht, noch einen Namen zu haben scheint, spitzt sich die Situation zu, denn Leonie und Reither wollen plötzlich nicht mehr dasselbe und bemerken, wie fremd sie sich doch eigentlich sind. Ihr Trip endet so, wie er begann: schicksalhaft aber einsam.
Meinung
An diesem Buch scheiden sich wohl die Geister, dieses Phänomen haben mir zumindest die stark schwankenden Lesermeinungen nahegelegt. Denn während einige in höchsten Tönen schwärmen, grenzt diese Novelle für andere an ein Fiasko. Schon allein deswegen wollte ich mir unbedingt eine eigene Meinung bilden. Leider konnte mich „Widerfahrnis“ nicht für sich einnehmen, da mir vieles zu vage und unbestimmt blieb und das in Kombination mit einer mäßig interessanten Handlung. Ganz besonders schade fand ich die unrealistische Verbindung zwischen beginnender Liebesgeschichte und einer unglücklich gewählten Flüchtlingsproblematik.
Bodo Kirchhoff schafft in diesem Roman zwei sehr eigenständige Protagonisten, die meines Erachtens so wenige Gemeinsamkeiten haben, dass ihre aufkeimenden Gefühle füreinander äußerst fremd wirken. Beim Lesen empfand ich den gemeinsamen Nenner als die Zigarette, die beide ununterbrochen in Kette rauchen und dabei ihre Gedanken wandern lassen. Von Nähe, Begeisterung und Lebensfreude spürt man so wenig, dass es fast schmerzt. Banale Dinge, wie das Einkaufen oder das „Frischmachen“ auf einer öffentlichen Toilette stellen zentrale Erzählinhalte dar und mir fehlt hier auf jeder Zeile der Blick fürs Große und Ganze.
Einzig die Erzählweise, sehr still und sinnierend, voller formvollendeter Sätze und einer intensiven Auseinandersetzung mit den Feinheiten der Deutschen Sprache haben mir gefallen. Ein unaufgeregtes, wertungsfreies Schreiben, welches zugleich auffallend anders aber auch einprägsam wirkt.
Fazit
Die Bewertung fällt mir nicht leicht, weil ich zwar keine spezielle Erwartungshaltung hatte, aber während des Lesens fortwährend Enttäuschungen erlebte. Angefangen von unsympathischen Protagonisten über eine eher sinnfreie Reise bis hin zu äußert konstruierten Situationen haben mir das Verständnis, den Sinn der Erzählung immer fremder werden lassen. Ein Buch, welches mit zunehmender Seitenzahl an persönlichem Wert verloren hat und dessen Gesamturteil mit 2 Sternen ins untere Mittelfeld einzuordnen ist. Vielleicht kann man Julius Reither mögen, mir fiel es einfach nur schwer …




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